Freitag, März 17, 2006

Gut und böse

Eines frühen Morgens kurz nach Ladenöffnung entdeckte Herbert K. im Senfregal eine Dose „Bautz’ner Senf mittelscharf“ und war empört. Erstens störte ihn der blaue Deckel. Zweitens, und das war der eigentliche Grund seiner Empörung, störte ihn der Senf als solcher. Er fragte sich, was dieses Produkt hier zu suchen hatte. Herbert kaufte seit Jahren mittelscharfen Senf einer bekannten Marke, und er war damit vollauf zufrieden. Ratlos stand er vor dem Regal. Wie war der fremde Senf hier her gekommen und wieso? Wer machte so etwas? In diesem Moment stieg in Herbert eine riesige Wut auf. Er hätte am liebsten das Regal eingerissen, oder besser den ganzen Laden zertrümmert. Sein Gesicht wurde feuerrot. In diesem Moment entschied sich Herbert, ein schlechter Mensch zu werden. Das Gutsein hatte ihm sowieso nichts gebracht. Es war ein Moment unendlicher Erleichterung, wie der Fall in ein riesiges Kissen aus Daunen. Sein Plan war folgender: Er würde sich ein Ei besorgen und heimlich auf den Senf legen, auf diesen blauen Deckel. Und dann würde man ja sehen, was passiert. Er legte eine Tube seines alten Senfs in den Korb und ging weiter zum Eierregal. So fröhlich wie nach diesem Entschluss hatte man Herbert K. schon lange nicht mehr gesehen.