Dienstag, April 18, 2006

Unter der Spüle

Seit er unter der Spüle lebte, hatte sich sein Tagesablauf merklich vereinfacht. Er wurde vom Frühstücksabwasch geweckt, putzte sich die Zähne, und konnte danach - mittags blieb die Küche kalt - frei über die Zeit bis zum Abendessen verfügen. Manchmal sortierte er Plastiktüten. Am liebsten aber legte er sein Ohr auf den warmen Spülbeckenboden und versuchte zu erraten, in welcher Stimmung sich der oder die Abwaschende befand. Meist wusste er beim ersten Teller bescheid. Er hätte ewig so weiter gemacht, wäre er nicht eines Tages aufgeflogen. Das Rohr war verstopft, und als der Klempner ihn entdeckte, hatte er einige Mühe zu erklären, was er hier eigentlich trieb.