Donnerstag, Juli 31, 2008

Wirklich

Ein weiterer journalistischer Winkelzug ist das Wort "wirklich".
Heute stellen sie mir auf Süddeutsche.de die Frage "Wie gefährlich ist Fast Food wirklich?" Die Frage impliziert bereits meinen wahrscheinlichen Irrtum. Allein das Fragezeichen birgt noch Hoffnung, auch wenn ich schon ahne, dass es rhetorisch gemeint ist. Bei diesem Winkelzug handelt es sich um das zwanghafte, ständige Erweitern der Meta-Ebene. Irgendeiner - Journalist, Wissenschaftler, Philosoph - steigt immer NOCH höher als ich und erzählt mir dann, wie es sich mit der Wahrheit WIRKLICH verhalte. Die wahre Wahrheit, die wirkliche Wirklichkeit. Netterweise liefern sie aber auch gleich ihre eigene Aufhebung mit, zum Beispiel in Artikeln über so genannte "Spin Doctors" - PR Berater, die die Presse mit unternehmensfreundlichen, scheinbar unabhängig verifizierten Informationen versorgen. Ich finde jeden Tag mehr Gründe, weniger Zeitung zu lesen.

Dienstag, Juli 29, 2008

Glück gehabt

Wann bin ich zuletzt von einem Neonazi behelligt worden?
Hm. Eigentlich noch nie. Ebenso verhält es sich mit männermordenden Vamps, Terroristen, betrügerischen Immobilienmaklern, Balkoneinbrechern, Hooligans, Pädophilen, Amokläufern, Tsunamis, Super GAUs, Selbstmordsekten, einem Flugzeugabsturz, entgleisenden ICEs, vergiftetem Wasser, Fleisch, Gemüse, Luft, von Krebs, AIDS, Hartz IV, Feinstaub, tödlicher Handystrahlung. Ich habe wohl sehr viel Glück. Daher habe ich beschlossen, die Meldung des heutigen Tages, nach den Krawallen von Neonazis in Passau sei für unser Land "Gefahr im Verzug", einfach mal milde zu ignorieren.

Dienstag, Juli 22, 2008

Schee is'.

Die schönen jungen Mädchen, die gar nicht wissen, wie schön sie sind.
Die schönen jungen Männer, die voller Saft gegen den Wind rennen.
Die schönen Greise neben den Greisinnen, nebeneinander bis zuletzt.
Die schönen fliegenden Mauersegler, wie sie in der Luft schlafen.
Die schönen Blumen, die aus dem Schutt wachsen.
Die schönen Touristen, die in die Läden und aus den Läden rennen.
Das schöne, gelbe, schaumige Bier.
Mei, schee is'.

Dienstag, Juli 15, 2008

Münchner Zeitungskästen

Solche Zeitungskästen gibt es nur in München: wo man theoretisch nichts reinwerfen muss, um was rauszukriegen. Man klappt sie einfach auf und nimmt die Zeitung raus. Macht aber keiner. Jeder zahlt. Münchner Zeitungskästen, das ist für Menschen aus Bochum oder Berlin ein Wunder. "Gibt's denn bei euch keine Diebe?" Über so eine Frage denkt der Münchner gar nicht nach, außer beim Fahrradabschließen. Aber selbst ein Fahrrad kann man hier stundenlang offen stehen lassen. Niemand klaut in München die Zeitung aus dem Zeitungskasten, höchstens betrunkene Jungendliche am Sonntagmorgen. "Wie spießig!" , sagen die Berliner und Bochumer dann manchmal. Wer so redet, hat freilich überhaupt noch gar nichts von München verstanden.

Freitag, Juli 11, 2008

Rosa

Neulich im Sportladen: Jesse Rich will sich einen City-Rucksack kaufen. Nachdem er ausführlich alles gesichtet hat, was da ist - und das ist eine Menge -, entscheidet er sich für den seiner Meinung nach schönsten. Bis er sieht, dass der eine rosa Kordel hat - diese Kordel, die so ein Zickzack bildet, wo man was reinklemmen kann. Wobei die Grundfarbe Olivgrün ist und einige Teile in Graublau. Aber die Kordel ist eben rosa, und das geht nicht, weil rosa für Mädchen ist. Der schönste Rucksack ist ein Mädchenrucksack. Er heißt sogar ISABELLA, wie Jesse Rich auch noch bemerkt, und damit ist der Rucksack vollends gestorben.

Heute morgen die Bestätigung: Ein Mädchen steigt auf eine rosarote Vespa, zieht einen rosaroten Helm über und fährt davon. Vielleicht heißt sie Isabella.


Donnerstag, Juli 10, 2008

Zum 850.

Was ich an München mag? Den Gärtnerplatz, obwohl er nach der Renovierung so geschleckt aussieht. Sie haben die drei Kastanien umgehauen, das ist eigentlich unverzeihlich. Aber ich muss zugeben, dass der Platz jetzt schöner ist als vorher. Die Blumen in den Beeten sind schöner geworden. Wahrscheinlich haben sie sich gesagt, jetzt müssen wir uns was einfallen lassen, um die Leute zu besänftigen. Es haben sich nämlich viele über die Kastanien aufgeregt. Jetzt gibt es für lange Zeit keinen Schatten mehr auf dem Gärtnerplatz. Trotzdem, der Platz stimmt jetzt mehr. Die Leute sitzen auch wieder auf den Bänken und essen Eis, und unter dem Brunnen und trinken Kaffee. Abends wird der Platz richtig lebendig, da kommen die Jugendlichen und machen Party. Morgens auf dem Gärtnerplatz zu stehen und tief einzuatmen, ist reine Meditation. Du kannst in alle vier Himmelsrichtungen blicken, und wenn keiner da ist, kannst du dich ganz schnell vor der Schönheit verbeugen.

Mittwoch, Juli 09, 2008

Gefühlt, II

Wenn Sie, wie Jesse Rich, zu denjenigen gehören, die immer noch die Verdoppelung der Preise durch den Euro beklagen, hier ein praktischer Tipp zur Deeskalation: Tun Sie einfach so, als müsse zur inneren Berechnung nicht verdoppelt, sondern halbiert werden. Dann kostet zum Beispiel das Paar Mizuno-Laufschuhe nur noch gefühlte 130,- Mark, also 65,- Euro. Das ist doch wirklich günstig! Und schon ist der Tag wieder hell.

Freitag, Juli 04, 2008

Gefühlt

Es ist sicher schon in den Feuilletons abgehandelt worden. Da Jesse Rich aber kein Feuilleton liest, hier eine Betrachtung über einen Unwort-des-Jahres-Kandidaten: GEFÜHLT.
Michael Friedmann hatte "gefühlte" 300 Interviewfragen vorbereitet; Michael Ballak ist während eines Spiels "gefühlte" 100 Kilometer gelaufen. Wir haben "gefühlte" 3 Stunden auf unser Essen gewartet. Was damit ja gemeint ist, ist der Unterschied zwischen Sein und Schein zum Zwecke der dramaturgischen Übertreibung. Gleichzeitig ein Ausdruck des Understatement, der schreiberischen Coolness, der scheinbar gekonnten Flapsigkeit des Autors. Anfangs charmant, inzwischen nervig, so wie das berühmte Boxenluder der Bildzeitung. Verantwortlich für dieses neue Unwort ist, man hat es vielleicht schon vor lauter gefühlten Ereignissen vergessen, das Wetter. Bei kalten Temperaturen "fühlen" wie noch kältere, sobald der Wind weht. Es können draußen 10 Grad sein, und wir finden, es sei kälter. Der Wettermann spricht dann vielleicht von "gefühlten" 5 Grad, wobei ich mich schon immer fragte, wie man das misst. Soweit, so gut. Dann kam irgend jemand auf die Idee, dieses Wettergefühl zu zweckentfremden. Und nun haben wir den Salat. Jeden Tag ein neues Gefühl. Dieser Artikel sei gefühlte 1.000 Wörter lang, könnten Sie beispielsweise sagen, um auszudrücken, dass Sie sich langweilen. Man kann es auch positiv sehen: Es wird wieder mehr gefühlt. Und da Jesse Rich schon seit gefühlten 2 Tagen nichts mehr gegessen hat, hört er jetzt auf und macht sich Frühstück. 

Mittwoch, Juli 02, 2008

Butterbrezel

Frieda M. fuhr mit dem ICE von München nach Hamburg. "Ein wunderbarer Zug, leider etwas anfällig", entfuhr es ihr, als sie der Schaffner um die Fahrkarte bat. Der ICE stand nämlich mehr, als er fuhr. Erst hatte eine Entenfamilie die Gleise gekreuzt, dann musste ein Ahornzweig beseitigt werden. Jedesmal hatte das empfindliche High-Tech-Fahrzeug den Dienst verweigert. Nur durch eine kostenlose Butterbrezel ließ sich Frieda M. vom Verlassen des Zuges auf freier Strecke abhalten. Zum Glück wusste sie nicht, dass die Brezel zuvor von einem unsympathischen Reisenden aus der ersten Klasse zurückgegeben worden war.

Dienstag, Juli 01, 2008

Verrückt

Die EM ist weg. Wo ist sie hin? Auf meiner Festplatte ist sie nicht, da habe ich nachgeschaut. Dafür habe ich einige unschöne Programme gefunden, die da nichts zu suchen haben. Zum Beispiel Auto-Beer: Aktiviert man diese Systemerweiterung, bestellt der iMac zu jedem EM-Spiel einen Kasten, ohne mich zu fragen. Verrückt, was heute alles geht.