Dienstag, August 05, 2008

China ist out

Seltsam, wie Mode funktioniert. Man kann sogar ganze Völker zur Mode erheben. Seit einiger Zeit ganz weit oben bei westlichen Fashion-Victims: China, das ferne, straffe Völkchen mit den vielen Menschen auf Fahrrädern. DER Shootingstar auf den Laufstegen von London bis Mailand. Die neue Weltmacht, Das Reich der Mitte am Scheideweg, Der Großkapitalist aus dem Osten etc etc. Das Lustige: Wir haben vor den Chinesen eine Heidenangst. Das Komische: Warum schreiben wir sie dann stark? Um den Papiertiger vom Jangtse wieder zu dem zu machen, was er eigentlich ist - eine kleinwüchsige, fruchtbare Lebensform mit seltsamen Essgewohnheiten - brauchen wir nur den Hype zu beenden. Keine Schlagzeilen mehr, keine TV-Dokus, keine betroffenen Expertenrunden. China wird einfach komplett ignoriert bzw. klein geschrieben. Die Olympischen Spiele machen wir noch mit, und das war's dann. In ein paar Wochen ist China out, jede Wette. Jesse Rich macht hiermit den Anfang.

Freitag, August 01, 2008

Der Thermo King

Früher waren es nur Kehrmaschinen, klappernde Getränkekästen und die Müllabfuhr, die einem in aller Herrgottsfrühe den Schlaf raubten. Heute haben wir Thermo King, den König der Temperierung. Es handelt sich um einen riesigen Kühlschrank, der auf dem Dach von LKW-Kabinen sitzt. Im Standbetrieb, also beim Be-und Entladen von Wasauchimmer, erzeugt der Thermo King direkt unter deinem Fenster ein Geräusch in der Lautstärke eines startenden Flugzeugs. Der Unterschied zum Flugzeug ist, dass das Flugzeug irgendwann davon fliegt, während der Thermo King ausharrt. Er bleibt da, direkt unter deinem Fenster. Er möchte sicherstellen, dass auch wirklich jeder in der Straße wach ist. Erst, wenn er uns alle am Fenster erblickt, ist sein Werk getan, und er fährt das nächste Viertel an. Falls sich jemand beim Thermo King persönlich für den schönen Service bedanken möchte - die Zentrale freut sich sicher über jede Rückmeldung. Bestimmt nimmt der Geschäftsführer Herr Helms auch Weckrufbestellungen für andere Tageszeiten entgegen: phelms@tk-net.com

Donnerstag, Juli 31, 2008

Wirklich

Ein weiterer journalistischer Winkelzug ist das Wort "wirklich".
Heute stellen sie mir auf Süddeutsche.de die Frage "Wie gefährlich ist Fast Food wirklich?" Die Frage impliziert bereits meinen wahrscheinlichen Irrtum. Allein das Fragezeichen birgt noch Hoffnung, auch wenn ich schon ahne, dass es rhetorisch gemeint ist. Bei diesem Winkelzug handelt es sich um das zwanghafte, ständige Erweitern der Meta-Ebene. Irgendeiner - Journalist, Wissenschaftler, Philosoph - steigt immer NOCH höher als ich und erzählt mir dann, wie es sich mit der Wahrheit WIRKLICH verhalte. Die wahre Wahrheit, die wirkliche Wirklichkeit. Netterweise liefern sie aber auch gleich ihre eigene Aufhebung mit, zum Beispiel in Artikeln über so genannte "Spin Doctors" - PR Berater, die die Presse mit unternehmensfreundlichen, scheinbar unabhängig verifizierten Informationen versorgen. Ich finde jeden Tag mehr Gründe, weniger Zeitung zu lesen.

Dienstag, Juli 29, 2008

Glück gehabt

Wann bin ich zuletzt von einem Neonazi behelligt worden?
Hm. Eigentlich noch nie. Ebenso verhält es sich mit männermordenden Vamps, Terroristen, betrügerischen Immobilienmaklern, Balkoneinbrechern, Hooligans, Pädophilen, Amokläufern, Tsunamis, Super GAUs, Selbstmordsekten, einem Flugzeugabsturz, entgleisenden ICEs, vergiftetem Wasser, Fleisch, Gemüse, Luft, von Krebs, AIDS, Hartz IV, Feinstaub, tödlicher Handystrahlung. Ich habe wohl sehr viel Glück. Daher habe ich beschlossen, die Meldung des heutigen Tages, nach den Krawallen von Neonazis in Passau sei für unser Land "Gefahr im Verzug", einfach mal milde zu ignorieren.

Dienstag, Juli 22, 2008

Schee is'.

Die schönen jungen Mädchen, die gar nicht wissen, wie schön sie sind.
Die schönen jungen Männer, die voller Saft gegen den Wind rennen.
Die schönen Greise neben den Greisinnen, nebeneinander bis zuletzt.
Die schönen fliegenden Mauersegler, wie sie in der Luft schlafen.
Die schönen Blumen, die aus dem Schutt wachsen.
Die schönen Touristen, die in die Läden und aus den Läden rennen.
Das schöne, gelbe, schaumige Bier.
Mei, schee is'.

Dienstag, Juli 15, 2008

Münchner Zeitungskästen

Solche Zeitungskästen gibt es nur in München: wo man theoretisch nichts reinwerfen muss, um was rauszukriegen. Man klappt sie einfach auf und nimmt die Zeitung raus. Macht aber keiner. Jeder zahlt. Münchner Zeitungskästen, das ist für Menschen aus Bochum oder Berlin ein Wunder. "Gibt's denn bei euch keine Diebe?" Über so eine Frage denkt der Münchner gar nicht nach, außer beim Fahrradabschließen. Aber selbst ein Fahrrad kann man hier stundenlang offen stehen lassen. Niemand klaut in München die Zeitung aus dem Zeitungskasten, höchstens betrunkene Jungendliche am Sonntagmorgen. "Wie spießig!" , sagen die Berliner und Bochumer dann manchmal. Wer so redet, hat freilich überhaupt noch gar nichts von München verstanden.

Freitag, Juli 11, 2008

Rosa

Neulich im Sportladen: Jesse Rich will sich einen City-Rucksack kaufen. Nachdem er ausführlich alles gesichtet hat, was da ist - und das ist eine Menge -, entscheidet er sich für den seiner Meinung nach schönsten. Bis er sieht, dass der eine rosa Kordel hat - diese Kordel, die so ein Zickzack bildet, wo man was reinklemmen kann. Wobei die Grundfarbe Olivgrün ist und einige Teile in Graublau. Aber die Kordel ist eben rosa, und das geht nicht, weil rosa für Mädchen ist. Der schönste Rucksack ist ein Mädchenrucksack. Er heißt sogar ISABELLA, wie Jesse Rich auch noch bemerkt, und damit ist der Rucksack vollends gestorben.

Heute morgen die Bestätigung: Ein Mädchen steigt auf eine rosarote Vespa, zieht einen rosaroten Helm über und fährt davon. Vielleicht heißt sie Isabella.